23 04

Schattenkrieger

Texte aus der Tiefe.

Endlich habe ich die Zeit gefunden. Zeit, um mich zu sortieren. Nun sitze ich hier, kurz nach sieben – die Lücke war plötzlich da, und ich wollte sie nutzen. Gedanken kommen und gehen, und ich bin gespannt, wohin es mich diesmal treiben wird.

Ich versuche zu sortieren … Erinnerungen an die vergangene Woche tauchen in mir auf. Sätze und Bilder aus Büchern, Bilder vom Streit mit meiner Partnerin. Demütigungen auf beiden Seiten. Tiefe Gefühle. Scham. Wenig Gutes tritt an die Oberfläche. All das will gesehen werden. Alles will gesehen werden. Ich atme tief ein … und kraftvoll wieder aus.

Da ist sie: eine Angst. Zaghaft. Leise. Langsam tritt sie ins Licht. Was, wenn ich etwas Wichtiges vergesse? Was, wenn ich es nicht richtig durchdenke? Keine Lösung. Kein Schritt. Keine Entscheidung. Bleibt alles einfach, wie es ist? Ich danke dir, kleine Angst, dass du dich mir zeigst.

Ein Bild taucht auf. Ein Krieger. Ein gottverdammter Krieger. Die Kamera meines inneren Projektors brennt das Bild in mein Bewusstsein. Froschperspektive. Er ragt über mir auf – wie ein taurischer Kämpfer. Majestätisch. Die Brust gespannt.

Der Blick: klar. Entschieden. Furchtlos. Ohne Scham. Ohne Erbarmen. Nur Stolz. Stärke. Präsenz.

Hinterläufe eines Pferdes. Ein muskulöser Oberkörper. Meterhoch. Ein gehörnter Kopf – eine Mischung aus Mensch, Ziege und Raubtier – ruht gelassen auf seinen Schultern.

Ich liege am Boden. Die Erde ist rau und körnig. Der Geruch von Schwefel, Verbranntem, von Tod. Der Himmel grau. Schwer. Eine Wolkendecke drückt alles nieder. Das Wesen kommt auf mich zu. Langsam. Mächtig. Mit jedem Schritt wächst seine Präsenz. Kurz vor mir bleibt es stehen. Es beugt sich herab. Und dann – streckt es mir seine Hand entgegen.

Die Bilder verschwimmen und zurück bleibt eine Frage:

Was will mir dieser Teil von mir sagen?
Und bist auch du schon einmal einem Schatten begegnet, der deine ganze Geschichte verändert hat?

Worte, die dich finden – genau dann, wenn du sie brauchst.